Electronic Business

Electronic Business
von Professor Dr. Bernd W. Wirtz und Mag.rer.soc.oec. Bernd Storm van's Gravesande
I. Begriff des Electronic Business
Der Begriff Electronic Business umfasst die Anbahnung sowie die teilweise respektive vollständige Unterstützung, Abwicklung und Aufrechterhaltung von Leistungsaustauschprozessen mittels Internettechnologien. Das Internet beschreibt im weiteren Sinn ein globales Netzwerk von Rechnern und Rechnerteilnetzwerken, die auf dem TCP/IP-Protokoll basieren. Es stellt eine globale Plattform für die Kommunikation und den Informationsaustausch dar und kann somit als ein Enabler für intra- und interorganisationale Geschäftsprozesse und Transaktionen gesehen werden. Der Oberbegriff Electronic Business umfasst demnach neben funktionalen Bereichen wie E-Commerce, E-Procurement und E-Fullfillment auch querschnittliche Aspekte wie bspw. E-Collaboration.
Zu den Akteuren des Electronic Business werden all diejenigen gezählt, die an internetbasierten Leistungsaustauschprozessen teilnehmen. Dies sind Unternehmen (Business), Mitarbeiter (Employee), Konsumenten (Consumer) sowie öffentliche Institutionen (Administration). Je nachdem, welche dieser Wirtschaftssubjekte unter Einsatz des Internets miteinander interagieren, lassen sich unterschiedliche Erscheinungsformen des Electronic Business unterscheiden. Nachfolgend sollen vier grundsätzliche Typen skizziert werden. Die Business-to-Business-Beziehung (B2B) umfasst internetbasierte Leistungsaustauschprozesse zwischen Unternehmen. Die Business-to-Consumer-Beziehung (B2C) meint hingegen die Interaktion zwischen Unternehmen und Konsumenten. Eine dritte Erscheinungsform stellt die Administration-to-Consumer-Beziehung (A2C) dar. Hier werden Services und Leistungen der öffentlichen Verwaltung dem Konsumenten bzw. dem Bürger online angeboten. Darüber hinaus besteht die Business-to-Employee-Beziehung (B2E), die einen intraorganisationalen Aspekt, nämlich die Interaktion zwischen dem Unternehmen und seinen Angestellten, beschreibt.
II. Strategische Rahmenbedingungen im Electronic Business
Die Diffusion des Internets bringt neue ökonomische Gesetzmäßigkeiten und Wirkungszusammenhänge mit sich. Es entstehen globale Interaktionsmuster, die geographische Barrieren aufheben und Globalisierungstendenzen in der Wirtschaft weiter verstärken. Eine Intensivierung des Wettbewerbs, die Virtualisierung von Unternehmen und Produkten, die Komplexitätszunahme im ökonomischen Umfeld und ein verändertes Kundenverhalten stellen hierbei die vier bedeutsamsten, internetgetriebenen Entwicklungen und Herausforderungen im unternehmerischen Umfeld dar. Das 4-Forces-Modell des Electronic Business führt diese Entwicklungen in einem Bezugsrahmen zusammen.
- Vgl. Abbildung „4-Forces im Electronic Business“.
Die erste Dimension beschreibt die bedeutsamsten Merkmale des Wettbewerbs in der Internetökonomie. So ist eine zunehmende Wettbewerbsintensität primär auf die erhöhte Markttransparenz zurückzuführen, die durch den freien Informationsfluss die Informationsbeschaffung vereinfacht und bestehende Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern, wie sie in der traditionellen Ökonomie häufig vorliegen, reduziert. Sinkende Markteintrittsbarrieren ergeben sich dadurch, dass das Herstellen von Kundenkontakten mithilfe des Internets tendenziell mit einem geringeren Aufwand erreicht werden kann. Um beispielsweise offline eine deutschlandweite durchgängige Kundenansprache im Einzelhandel gewährleisten zu können, muss ein flächendeckendes, relativ kostenintensives Filialnetz eingerichtet werden. Hingegen kann in der Internetökonomie diese Kundenansprache mittels einer einzigen Internetpräsenz sichergesellt werden. Eine unmittelbare Konsequenz der gestiegenen Markttransparenz ist das Sinken von Wechselbarrieren. So können die stark verbesserten Vergleichsmöglichkeiten des Konsumenten sowie die Anonymität der Kundenbeziehung im Electronic Business dazu führen, dass der Preis zum primären Selektionskriterium wird und somit die Kundenbindung im Electronic Business erschwert. Kundenseitige Wechselbarrieren erodieren insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das nächste Angebot nur „One Click Away“ ist. Disintermediation ist eine weitere wettbewerbsintensivierende Folge der zügigen Diffusion des Internets. Durch die elektronische Unterstützung einzelner Transaktionsphasen können Hersteller, die zuvor mehrstufige Distributionswege eingesetzt haben, direkt den Abnehmer ansprechen und somit so genannte Intermediäre – wie den Großhandel – umgehen. Somit übernehmen Hersteller zentrale Funktionen des Handels und treten in einen direkten Wettbewerb mit den diesem.
Die zweite bedeutende Umfeldveränderung ist eine Entwicklung hin zur Virtualisierung von Organisationen und Produkten. Unternehmen schließen sich vermehrt zu virtuellen Organisationsnetzwerken zusammen, die auf dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien basieren. Als temporäre Allianz kooperieren sie durch einen Wissenstransfer oder durch komplementäre Kompetenz- sowie Risikoverteilung. Der Virtualisierungsgrad von Produkten kann insbesondere durch die zunehmende Bedeutung immaterieller Güter beschrieben werden. Insbesondere digitale Güter der Informationsökonomie sind in diesem Zusammenhang zu nennen, da diese beinahe kostenfrei vervielfältigt und distribuiert werden können.
Die dritte Veränderung, die im 4-Forces-Modell beschrieben wird, stellt die erhebliche Komplexitätszunahme im ökonomischen Umfeld dar. Sinkende Markteintrittsbarrieren und die Annäherung mehrerer Branchen bewirken eine zunehmende Fragmentierung der Märkte. Trennscharfe Branchengrenzen können nicht mehr gezogen werden. Zwar können Unternehmen – vergleichbar wie Konsumenten – Informationen leichter beschaffen, jedoch sind sie zugleich durch ebendiese auch einer erhöhten Innovationsgeschwindigkeit, welcher sich durch den verstärkten Wettbewerb ergibt, ausgesetzt. Die Komplexitätsbewältigung stellt somit eine zentrale Managementaufgabe in der Internetökonomie dar.
Die vierte und letzte Rahmenbedingung betrifft das veränderte Nachfrageverhalten der Konsumenten. Aus der Perspektive des Konsumenten bewirken die reduzierten Informationsasymmetrien bzw. der gestiegene Informationsgrad eine größere Marktmacht und stellen somit Unternehmen vor große Herausforderungen hinsichtlich der Kundengewinnung und -bindung. Verbesserte Vergleichsmöglichkeiten und reduzierte Wechselkosten bewirken eine tendenziell abnehmende Kundenloyalität.
III. Geschäftsmodelle im Electronic Business
Die Entwicklung der Internetökonomie hat Veränderungen der unternehmerischen Aktivitäten mit sich gebracht. Während zum einen Unternehmen das Internet in ihre Geschäftsprozesse wie integrieren (hybride Geschäftsmodelle), entstehen zum anderen im Bereich des Electronic Business eine Vielzahl an neuen Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell vorwiegend auf der Technologie des Internets aufbauen (reine Onlinegeschäftsmodelle). Für diese soll im Folgenden anhand des 4C-Net-Business-Models nach Wirtz die vier internetbasierten Basisgeschäftsmodelle Content, Commerce, Context und Connection skizziert werden. Content, der erste Geschäftsmodelltyp, umfasst die Erstellung, Sammlung, Selektion, Systematisierung, Kompilierung und Bereitstellung von Inhalten über das Internet (z.B. Spiegel Online). Das zweite Geschäftsmodell, Commerce, meint die Anbahnung und Aushandlung bzw. Abwicklung von Geschäftstransaktionen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Marktplätze für Unternehmen (z.B. Covisint), Auktionshäuser (z.B. eBay), Shopping-Mall-Anbieter (z.B. Amazon) sowie Internetpräsenzen von Herstellern (z.B. Würth) hervorzuheben. Im Rahmen des Geschäftsmodells Context wird eine Intermediationsleistung offeriert, die dem Internetanwender eine Orientierungsfunktion bieten soll. So reduzieren beispielsweise Suchmaschinen (z.B. Google) oder Webkataloge (z.B. Yahoo) die Intransparenz der Internetinhalte, die sich durch eine stetig steigende Informationsquantität und -komplexität ergibt. Das vierte und letzte Basisgeschäftsmodell des Electronic Business, Connection, umfasst das Anbieten eines Zuganges zu Netzwerken um den Akteuren einen Informationsaustausch gewährleisten zu können (z.B. T-Online). Es wird demnach die Interaktion zwischen Anwendern in virtuellen Netzwerken ermöglicht.
IV. Nachhaltige Entwicklungen des Electronic Business
Aufgrund der fortschreitenden Diffusion der Internettechnologie wird die Relevanz des Electronic Business für die Wirtschaft stetig zunehmen. Nach dem Hype um die Jahrtausendwende und der Konsolidierung in den darauf folgenden drei Jahren werden die Aktivitäten im Electronic Business künftig kontinuierlich zunehmen. Daraus abgeleitet lassen sich für die kommenden Jahre zwei grundsätzliche Entwicklungen des Electronic Business erkennen. Zum einen werden Unternehmen, nachdem sie in den letzten Jahren einzelne Funktionsbereiche – wie beispielsweise den Beschaffungsprozess – mithilfe der Internettechnologien (z.B. E-Procurement-Systeme) optimiert haben, in den kommenden Jahren verstärkt die ganzheitliche Abbildung ihrer Wertschöpfungskette mittels internetbasierter Technologien anstreben. Diese unter dem Begriff der E-Company zusammengefasste Entwicklung sieht eine durchgängige Unterstützung sämtlicher Arbeitsschritte vor, die im Rahmen der Leistungserstellungs- und Leistungsaustauschprozesse durchlaufen werden müssen. Dieser umfassende Ansatz beschreibt nicht nur intraorganisationale Aspekte, sondern integriert auch unternehmensübergreifende Interaktionsmuster, wie beispielsweise E-Supply-Chain-Management oder E-Collaboration in Unternehmenskooperationen.
Zum anderen wird die öffentliche Verwaltung Internettechnologien einsetzen, um ihre Ablaufprozesse zu optimieren. Das Konzept des E-Government, welches in Deutschland durch die Initiative „Bund Online 2005“ forciert wird, umfasst die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit dem Regieren und dem Verwalten auf Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Bedeutende Leistungsverbesserungs- sowie Kosteneinsparungspotenziale verspricht bes. die internetbasierte Abwicklung von öffentlichen Ausschreibungen oder auch das Anbieten von Services und Dienstleistungen im Bereich der Arbeitsplatzsuche, von Sozialleistungen oder von gesundheitsbezogenen Diensten.
Literatur: Zerdick, A./ Picot, A./ Schrape, K. (Hrsg.), Die Internet-Ökonomie: Strategien für die digitale Wirtschaft, Berlin, Heidelberg 1999; Wirtz, B.W., E-Business, 2. Aufl., Wiesbaden 2001; Merz, M., E-Commerce und E-Business. Marktmodelle, Anwendungen und Technologien, Heidelberg 2002; Weiber, R. (Hrsg.), Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2002; Corsten, H., Einführung in das Electronic Business, München 2003; Picot, A../ Reichwald, R./ Wigand, R.T., Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Management, 5. Aufl., Wiesbaden 2003; Wirtz, B.W., Medien- und Internetmanagement, 3. Aufl., Wiesbaden 2003; Wirtz, B.W. (Hrsg.), Medien- und Multimediamanagement, Wiesbaden 2003. Literatursuche zu "Electronic Business" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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